Wir schreiben das Jahr 1996
und wirklich niemand hat auf dem Schirm, was dieses Jahr die Läden sprengen wird. Ein Spiel, gemacht um zu bilden. Eine Firma bereits seit über 20 Jahren im Geschäft. Der Name Rossipaul Medien GmbH, wohnhaft in München.
Die Aufgabe? Spaß, lernen für Mädchen und Jungen. Reine Information! Und das für nur 79,95DM.
19 Jahre später, ich versuche 2h lang „Max und die Geheimformel“ zum Laufen zu bringen. Ergebnis natürlich niederschmetternd negativ. Es will einfach nicht starten. Ok, nicht verzagen, den Tivola Support fragen. Keine Ahnung, ob sie mir jemals antworten. Ich wurde schon einmal enttäuscht. Damals war es aber TopWare. Ja, aber weil ich keine Lust habe meine Kabelei wieder abzubauen, habe ich ein anderes Spiel ausgegraben, was wohl KEINER kennt.
Herders Grosses Bilder Lexikon
Eigentlich war etwas riesiges für Ausgabe 100 geplant, doch das Spiel ist so riesig, dass ich seit Wochen an dem Text schreibe. Und das andere Projekt, an dem ich seit 3 Jahren sitze, liegt auch wieder auf Eis. Dann habe ich mir vor Kurzem etwas Neues gegönnt und auch das wäre eine super Ausgabe 100 geworden, doch es bleibt bei dem Spiel. Eigentlich das falsche Wort, da man wenig damit spielen kann.
Nein, ich erfinde es nicht, die Firma heißt wirklich Rossipaul. Heute nur noch im Bereich Werbemagazine und Anzeigen tätig, brachte dieser Verlag in den 90ern Lexika raus, die mir absolut unbekannt waren. Irgendwann oder irgendwie bin ich in den Besitz dieser CD-Rom gekommen. Einige der Bilder sind mir bis heute im Gedächtnis geblieben, genau wie der Fakt, dass dieses Spiel fast durchweg still ist. Man kann sich einige Texte vorlesen lassen und ab und zu tanzt etwas auf und ab, weil man draufgeklickt hat, aber im Grunde ist es still. Es fühlt sich wie eine Bombenentschärfung an. Man ist hoch konzentriert alles zu finden. Geräusche sind keine Hilfe, sie sollen weg. Bleibt weg. Bitte bleibt weg! Ihr zerstört mich! IHR MACHT MICH FERTIG! Ach wie süß, der Mexikaner poked den Typen an.
Ich wurde bisher ja oft gefragt, wie und womit ich aufnehme. Warum also nicht ausführlich erklären? Da es sich jetzt ja eh geändert hat. Ich habe mit dem Kauf der Elgato, weil die AverMedia PC Karte durchgeschmort ist, auch ein neues Setup basteln müssen. Da mein Laptop nicht über genug Speicher für eine Fraps-Aufnahme verfügt, geht ein microHDMI Konverter mit einem 3m HDMI Kabel in einen Splitter, der wiederum zur Elgato führt. Dort splittet sich das Bild zum Aufnahmeprogramm und der externen, unverzögerten Ansicht. Auf der anderen Seite, steckt ein USB Laufwerk am Laptop, wo die CD eingelegt ist. Jetzt nur noch die VirtualBox mit Windows 2000 starten, installieren und fertig. Nein, ich weiß nicht, wo man ISOs bekommt, da mein Betriebssystem mit dem Schlüssel original ist. Das sind jedenfalls nette 5m Kabelei, über zwei Tische verteilt.
Jetzt wird das Spiel gestartet und wir werden von Chip (Tchip? Zschip? Schipp?) begrüßt, einem recht seltsam anmutenden Kakadu. Also ich vermute, dass es sich um einen Kakadu handelt, da dies das Zeichen der Firma auf den Büchern war. Es könnte auch ein Geier, ein Rabe oder ein missratenes Experiment sein, am Ende bleibt es wahrscheinlich eh ungeklärt. Das Spiel oder besser gesagt das interaktive Lexikon ist einfach aufgebaut. Auf dem Hauptbildschirm kann man zwischen einer Drehscheibe, welche das gesamte ABC abdeckt, einem Würfel und einem Wasserball wählen. Ersteres listet alle im Lexikon vorhanden Wörter alphabetisch auf und bringt einen sozusagen direkt dorthin. Der Würfel ist thematisch sortiert und beim Wasserball kann man alle Minispiele auswählen. Diese reichen von Puzzeln, Töne zuordnen, bis zu „welche Person benutzt was“ und sind simpel gehalten. Ist man auf einem Bild, kann man mit der Maus, falls vorhanden, das Bild weiter scrollen. Verändert sich der Mauszeiger zu einem Kreis mit Punkt, erscheint ein Text, der vorgelesen werden kann. Dazu muss man diese Option in den Einstellungen aktivieren. Einen Moment? Man kann sein Alter angeben? Ich hab einfach mal auf über 8 gestellt, weil das ist ja im Grunde auch wahr. Sind diese Dinger nicht eh für 9 bis 99 ausgelegt? Wobei das glaube ich die analogen Brettspiele waren. Nein, ich bin nicht zu alt.
1996 habe ich
wahrscheinlich noch nicht viel gezockt. Ich weiß sowieso nicht, was mein erstes Spiel war. Mir wurde mal erzählt, dass der Videorekorder eine Faszination auf mich ausgeübt hat. Da hat was geleuchtet und die Geräusche waren huiiiiiiiiiiiii. Was aber 1996 sicher stattfand, war die Buchmesse in Frankfurt. Und wenn es um Archive und Medien geht, ist meine Anlaufstelle meistens heise online. Und unglaublich aber wahr, es existiert wirklich ein Eintrag mit dem Titel „Ex libris digitalibus„, grob zu Deutsch „nach den digitalen“. Eine Zeitreise, die beängstigt. Jedenfalls mich, wenn man lesen kann, dass die Frage schon damals lautete, ob die CD’s die Bücher verdrängen werden. Da kommt einen schon der Gedanke auf, dass eine Dauerschleife an Ängsten durch die Köpfe der Menschen kreist. Entwarnung? Laut einer Umfrage, sollen Online-Nutzer überdurchschnittlich eifrige Bücherleser sein? „Jetzt hat sich die CD-ROM endgültig etabliert.“
Geschadet hat sie uns jedenfalls nicht. Vorort läuft alles etwas futuristisch ab. Es gibt 3D Animationen, welche sich mit dem Sonnensystem auseinandersetzen. Man kann eigene Planetensysteme erstellen und das für nur nette 80 bis 100DM. Ein Kinderlexikon der Firma Bomico vorgestellt von Kindern (ich frage mich, wo die heute sind), bietet einen Wissensbaum oder Themengebiete, mit denen das Wissen erweitert werden kann. Auch hier beträgt der Preis 100DM. Hohe Preise aus heutiger Sicht. Aber vielleicht ist die CD die virtuelle Realität von heute. Fantastisch, seltsam, neu und unerklärlich.
Und dann ist da unser Produkt. Es ist übrigens wirklich ein Tucan und er heißt Tschip. Leider gibt es keine näheren Informationen, das zieht sich fast schon wie ein roter Faden durch das Internet. Denn es gibt nichtszu finden, außer dem, was ich bereits geschrieben habe. Es ist ein absolut langweiliges, unbekanntes und wahrscheinlich ungewolltes Stück Geschichte. Keinerlei Beachtung würdig. Oder doch?
Rossipaul selber brachte anscheinend neben dieser CD auch noch einen Weltatlas mit Flugmodus heraus, aber ansonsten scheint es ein recht normaler Verlag gewesen zu sein. Immerhin bekommt man auf Ebay das Spiel für 5€. Also von etwa 80DM zu 5€ in 20 Jahren?
Warum also das hier
wenn doch im Grunde nichts spannendes an dem Spiel zu finden ist. Wobei das Wort Spiel ja auch schon etwas übertreibt. Ganz einfach, weil es eine Fundgrube an Erinnerungen ist. Man könnte es auch als Zeitreise bezeichnen. Es hat sich einiges geändert und man kennt das ja, dass eine Kleinigkeit versteckte oder eigentlich verdrängte Erlebnis hervorrufen kann. Jedes Bild löst in mir eine Erinnerung aus, Geschichten spuken durch meinen Kopf. Von Emil Grünbär, zu dem wir definitiv auch noch kommen, über zu Schneewittchen und die Sieben Hänsel. Spiele, die ich in- und auswendig konnte. Bücher, die ich gelesen habe. Die Geschichten, die sich im Zusammenhang mit Wörtern entwickelten. Der Blick von heute auf die Vergangenheit hat etwas belustigendes. Was hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert? Umweltschutz? Naturschutz? Recyling? Musik? Egal, es existiert eine Erinnerung dazu.
Vielleicht ist diese CD kein Meisterwerk und wahrscheinlich kennt sie niemand, aber dennoch hoffe ich, dass ich dich zu einer kleinen Reise in die Vergangenheit einladen kann, mit dem kurzen „Remember, remember“ zu Herders Grossen Bilder Lexikon. Gemeinsam durchforsten wir eine grausige Grammatik und einen epileptischen Kakadu. Also? Bis gleich und viel Spaß bei den Videos. Beim letzten Video kam es zu Problemen mit dem Aufnahmeprogramm.